Die Mutter aller Handhelds, der Nintendo Game Boy, kam in Europa kaum früher als der Atari Lynx auf den Markt. Und obwohl er in Sachen Leistung, Grafik und Sound dem Lynx weitaus unterlegen war, feierte der Game Boy seinen weltweiten Siegeszug. Jeder kannte ihn, viele hatten ihn. Den Lynx hingegen kannte kaum jemand. Ein schlecht vermarkteter Exot, zum Launch mit einem Preis von DM 399,- gut doppelt so teuer wie der Game Boy, das Spieleangebot ziemlich überschaubar und nur wenige Spiele wirklich herausragend. Eigentlich kein Grund, diesem Flop nachzuweinen, oder?
Wenn man die Achtziger erlebt hat, kennt man natürlich Atari und das charakteristische Logo. Nicht nur bei Heimkcomputern hatte Atari einiges zu bieten, auch die Konsolen waren jedermann ein Begriff. Der „Video Game Crash” (1983-1985) beendete früh Ataris Höhenflug als Marktführer bei den Videospielkonsolen. Dennoch wagte man sich ab den späten Achtzigern noch zwei Mal versuchsweise ins Konsolengeschäft – und ging baden. Erst mit dem „Lynx” (Luchs) und vier Jahre später mit dem „Jaguar”. Dabei waren beide Geräte technisch herausragend. Mit Technik alleine lässt sich aber kein Erfolg erzielen, wenn es an anderen Ecken hapert. Nur hatte das bei Atari kaum jemand erkannt und die einst glorreiche Marke versank ab 1996 in der Bedeutungslosigkeit.
Der Lynx wurde ursprünglich von Epyx (kennt man eventuell noch von Spielen wie „Summer Games”) unter dem Codenamen „Handy“ entwickelt und dann von Atari aufgekauft und weiterentwickelt. Die Auflösung der 3.5″-Flüssigkristallanzeige lag bei 160×102 Pixeln und es konnten 16 Farben aus einer Palette von 4094 gleichzeitig dargestellt werden. Auf dem Board gab es zwei CMOS-Chips („Mikey“ und „Suzy“), die mit 16 MHz getaktet waren und mit einem RAM-Speicher von 64 KB zusammen arbeiten konnten. Nimmt man auch noch den 4-Kanal-Sound hinzu, ist das für das Jahr 1989 eine beachtliche Hardware. Die ihren Preis hatte.
1990: Die Zukunft wird „Lynx“?
Ich lies mich vom Preis aber nicht abschrecken. Das Taschengeld hatte ich lange gespart, kaufte mir 1990 dann den Lynx. Mit „California Games“ als einzigem Spiel war ich erst einmal glücklich. Spielen in Farbe, kräftiger Sound und ein beeindruckendes und im Dunkeln beleuchtetes LC-Display. Hinzu kam, dass man das Ding fast überall hin mitnehmen konnte. Die sechs Mignon-Batterien waren allerdings schnell leer gespielt, da die Beleuchtung des Displays den Stromverbrauch ankurbelte . Aber das störte nicht, und wenn irgendwo eine Steckdose vorhanden war, habe ich einfach das Netzteil mitgenommen. Im Schrebergarten, bei Verwandten, selbst im Klassenzimmer wurde gezockt. Ich hoffte, dass dem Lynx die Zukunft gehört – und noch viele gute Games erscheinen.
Obwohl keines der ersten Spiele überwältigend war, waren sie doch alle solide und brauchbar. Besonders hervorzuheben sind „Chip’s Challenge“ und „Blue Lightning“. Ebenso die beiden Shooter „Zarlor Mercenary“ und „Gates of Zendocon“. Das bis dato einzige Jump’n’Run „Scrapyard Dog“ hat mir ebenso gefallen, obwohl es kein Vergleich mit „Super Mario Bros.“ war. Und so ein Mario fehlte dem Lynx irgendwie als Zugpferd. Etwas, womit man im TV werben konnte und die Leute abholte. Auf TV-Werbung (zumindest hier in Deutschland) hat man allerdings komplett verzichtet. Man war vielleicht der Meinung, die neue Hardware würde sich von alleine wie in Lauffeuer verbreiten.
Desillusion statt Durchbruch
So wartete ich weiterhin auf den großen Durchbruch des Lynx. Oder darauf, dass auch andere Leute mit dem Namen „Lynx” was anfangen können. War aber nicht der Fall. Und wenn ich den Lynx irgendwo aus der Tasche zog, die große Verwunderung: „Was ist denn das für ein komisches, klobiges Ding?“ Auf die Irritation folgte stets Begeisterung, wenn man den Lynx in Aktion sah: „Ach, der ist ja cool!“ Atari hatte das Marketing schlicht verbockt, und nur wenige wurden auf den „Highend-Hundeknochen“ aufmerksam. Und die, die aufmerksam wurden, ließen sich vom Preis oder dem mangelnden Spieleangebot abschrecken. Folglich waren die Absätze schleppend und der Bekanntheitsgrad gering.
1991 brachte Atari mit dem Lynx II einen verbesserten Nachfolger heraus. Geringerer Stromverbrauch, etwas handlicher und preislich günstiger. Aber es gab nicht mehr viel zu retten. Hinzu kam, dass Sega mit dem „Game Gear” ein technisch vergleichbares Gerät herausbrachte. Handlich, mit optionalem TV-Tuner und weitaus besser vermarktet. Mit ca. 11 Millionen verkauften Geräten lag der Game Gear zwar immer noch deutlich hinter dem Game Boy, der sich mit ca. 119 Mio. verkauften Exemplaren die Krone aufsetzte, hatte dafür aber für die weltweit ca. 500.000 verkauften Lynx-Konsolen nur ein müdes Grinsen übrig.
Und so geht Ataris Lynx als finanzieller Flop mit überschaubarem Spieleangebot in die Geschichte ein. Dennoch erreichte diese Konsole in der kleinen Fangemeinde ihren Kultstatus. Selbst heute werden noch hin und wieder Homebrew-Lynx-Spiele entwickelt. Und das Gerät hat auch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es war einfach genial, zum ersten Mal mobil spielen zu können. In Farbe und mit satter Soundausgabe. Sicher hätte es damals auch ein Game Boy getan, aber ehrlich: Dieses grüne Display mit dem Gepiepse dazu – war doch uncool.
Ein Kommentar
Der Lynx war schon ziemlich geil 🙂